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2. September 1900 – Sexualkunde wird Schulfach in Preußen

Am 2. September 1900 erließ der preußische Kultusminister Robert Bosse eine Verordnung, die Sexualkunde als Schulfach in allen höheren Schulen Preußens einführte.

Am 2. September 1900 erließ der preußische Kultusminister Robert Bosse eine Verordnung, die Sexualkunde als Schulfach in allen höheren Schulen Preußens einführte. Damit war Preußen das erste Land in Europa, das seinen Schülern ein sachliches und wissenschaftliches Verständnis von Sexualität und Fortpflanzung vermitteln wollte.

Die Verordnung war das Ergebnis einer langen und kontroversen Debatte, die von der sogenannten “sexuellen Reformbewegung” angestoßen wurde. Diese Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand, setzte sich für eine Aufklärung und Befreiung der Sexualität von moralischen und religiösen Vorurteilen ein. Zu ihren prominentesten Vertretern gehörten der Arzt Magnus Hirschfeld, der Pädagoge Paul Näcke und der Schriftsteller Heinrich Zille.

Die Verordnung von Bosse stieß jedoch auf heftigen Widerstand von konservativen und kirchlichen Kreisen, die die Sexualkunde als eine Gefahr für die öffentliche Moral und die traditionelle Familie ansahen. Sie befürchteten, dass die Sexualkunde die Jugend zur Unzucht verführen und die Keuschheit untergraben würde. Sie warnten vor den Folgen einer “Sexualisierung” der Schule und einer “Verderbnis” der Nation.

Also zielte Sexualkunde eher auf „sittliche Reinheit“ und „Triebverzicht“ ab. Aufgrund der Industrialisierung war es zu einem rasanten Bevölkerungsanstieg in den deutschen Städten gekommen, wo sich Prostitution und Geschlechtskrankheiten ausbreiteten. Die preußische Regierung beauftragte einen Biologen aus Breslau, ein Curriculum zusammenzustellen, das über unerwünschtes sexuelles Verhalten aufklärte. Dazu zählte nicht nur außerehelicher Geschlechtsverkehr, sondern auch Homosexualität und Selbstbefriedigung, die damals als gesundheitsschädlich galt.

Die Verordnung wurde daher bald wieder abgeschafft. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Sexualkunde in der Weimarer Republik wieder eingeführt, allerdings erneut mit vielen Einschränkungen und Anfeindungen. Erst in den 1960er Jahren kam es zu einer umfassenden sexuellen Bildung in Deutschland, die sich an den Bedürfnissen und Fragen der Schüler orientierte.

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