Am 30. September wird in Kanada der Tag des orangenen Hemdes (Orange Shirt Day) begangen, ein Tag, der an die Geschichte und die Folgen des kanadischen Internatsschulsystems für indigene Kinder erinnert. Der Tag des orangenen Hemdes wurde 2013 von Phyllis Webstad ins Leben gerufen, die als Sechsjährige ihr neues orangefarbenes Hemd verlor, als sie in eine Internatsschule gebracht wurde. Das orangefarbene Hemd ist seither ein Symbol für die erzwungene Assimilation und die Entrechtung der indigenen Kinder, die in den Schulen oft körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt ausgesetzt waren.
Das Internatsschulsystem wurde Ende des 19. Jahrhunderts von der kanadischen Regierung und verschiedenen Kirchen eingerichtet, um die indigenen Völker in die kanadische Gesellschaft zu integrieren und ihre Kultur auszulöschen. Es wird als kultureller Genozid bezeichnet, der bis heute tiefe Wunden hinterlässt. Mehr als 150.000 indigene Kinder wurden von ihren Familien getrennt und in die Schulen geschickt, wo sie ihre Sprache und Traditionen nicht ausüben durften. Viele von ihnen starben an Krankheiten, Unterernährung oder Misshandlung, ohne dass ihre Angehörigen informiert wurden. Die letzten Schulen wurden erst 1996 geschlossen.
Der Tag des orangenen Hemdes ist eine Gelegenheit, die Überlebenden und ihre Familien zu ehren und zu unterstützen, die Wahrheit über das Geschehene zu erfahren und zu verbreiten, und sich für eine bessere Zukunft für alle Kanadier einzusetzen. Der Tag des orangenen Hemdes ist auch als Nationaler Tag für Wahrheit und Versöhnung bekannt, seit die kanadische Regierung ihn 2021 als gesetzlichen Feiertag erklärt hat. Der Tag fällt mit dem Abschlussbericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission zusammen, die 2008 eingerichtet wurde, um die Geschichte und die Auswirkungen des Internatsschulsystems aufzuarbeiten. Die Kommission hat 94 Empfehlungen vorgelegt, um das Verhältnis zwischen Kanada und den indigenen Völkern zu verbessern.
Der Tag des orangenen Hemdes ist mehr als nur ein Tag des Gedenkens. Er ist auch ein Tag des Lernens und des Handelns. An diesem Tag werden in ganz Kanada verschiedene Veranstaltungen organisiert, um das Bewusstsein für die Geschichte und die Gegenwart der indigenen Völker zu schärfen und den Dialog und die Zusammenarbeit zu fördern. Schulen, Organisationen, Gemeinden und Einzelpersonen sind eingeladen, sich zu beteiligen, indem sie orangefarbene Hemden tragen, an Webinaren oder Gesprächen mit Ältesten teilnehmen, Kunstwerke oder Lieder erstellen oder spenden. Der Orange Shirt Day ist eine Chance, die Botschaft zu vermitteln, dass jedes Kind zählt und dass Versöhnung möglich ist.

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