Am 3. Oktober 1912 wurde in Leipzig die Deutsche Bücherei feierlich eröffnet. Sie war die erste Nationalbibliothek Deutschlands und hatte die Aufgabe, alle deutschsprachigen Publikationen aus dem In- und Ausland zu sammeln, zu verzeichnen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Gründung der Deutschen Bücherei war eine Reaktion auf den Verlust der deutschen Nationalbibliothek in Straßburg, die nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich abgetreten werden musste.
Die Idee einer neuen Nationalbibliothek wurde von dem Leipziger Buchhändler und Verleger Georg Krichhoff initiiert, der sich für eine zentrale Sammelstelle für das deutsche Schrifttum einsetzte. Er fand Unterstützung bei dem preußischen Kultusminister Friedrich Althoff, der die Finanzierung des Projekts sicherte. Als Standort wurde Leipzig gewählt, da es damals das Zentrum des deutschen Buchhandels und der Buchproduktion war.
Die Deutsche Bücherei bezog zunächst ein provisorisches Gebäude in der Leipziger Innenstadt, das Platz für etwa 300.000 Bände bot. Der erste Direktor war der Bibliothekar Otto Harrassowitz, der die Organisation und den Aufbau der Bibliothek leitete. Er sorgte auch dafür, dass die Deutsche Bücherei eine gesetzliche Ablieferungspflicht für alle deutschsprachigen Veröffentlichungen erhielt, die bis heute gilt.
Die Deutsche Bücherei wuchs schnell zu einer bedeutenden wissenschaftlichen und kulturellen Institution heran, die nicht nur Bücher, sondern auch Zeitschriften, Zeitungen, Karten, Musikalien, Plakate und andere Medien sammelte. Sie erstellte auch die erste deutsche Nationalbibliografie, die einen Überblick über das gesamte deutsche Schrifttum bot. Die Bibliothek wurde zu einem wichtigen Ort für Forscher, Studenten und interessierte Leser aus aller Welt.
Die Geschichte der Deutschen Bücherei war jedoch auch von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. Während des Nationalsozialismus wurde sie zu einem Instrument der Propaganda und Zensur missbraucht. Viele Werke wurden aus dem Bestand entfernt oder vernichtet, weil sie als “undeutsch” oder “entartet” galten. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Bibliothek mehrmals bombardiert und erlitt schwere Schäden. Nach dem Krieg wurde sie Teil der DDR und musste sich den ideologischen Vorgaben des sozialistischen Regimes anpassen.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 wurde die Deutsche Bücherei mit der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main zusammengeführt, die 1946 als Pendant in den westlichen Besatzungszonen gegründet worden war. Seit 2006 trägt die vereinte Institution den Namen Deutsche Nationalbibliothek. Sie sammelt, dokumentiert und archiviert für die Nutzung in Gegenwart und Zukunft das wissenschaftliche und kulturelle Erbe Deutschlands in Text und Musik.
Die Deutsche Nationalbibliothek hat heute zwei Standorte: Leipzig (seit 2010 auch Deutsches Musikarchiv) und Frankfurt am Main. Sie verfügt über einen Bestand von mehr als 41 Millionen Medieneinheiten und bietet zahlreiche digitale Dienste an. Sie ist die größte Bibliothek Deutschlands und eine der größten Bibliotheken der Welt.

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