Heute vor 31 Jahren, am 8.Oktober 1992, starb Willy Brandt, einer der bedeutendsten deutschen Politiker des 20. Jahrhunderts. Sein Vermächtnis ist bis heute spürbar, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und der Welt. Als Bundeskanzler von 1969 bis 1974 leitete er eine sozialliberale Koalition, die weitreichende Reformen im Innen- und Außenbereich durchführte. Seine neue Ostpolitik, die auf Dialog und Entspannung mit den kommunistischen Staaten setzte, brachte ihm den Friedensnobelpreis 1971 ein.
Sein Kniefall in Warschau 1970 war ein Symbol der Versöhnung und des Respekts für die Opfer des Nationalsozialismus. Sein Engagement für die europäische Integration und die internationale Zusammenarbeit machte ihn zu einem geachteten Staatsmann und einem Vorbild für viele andere Politiker.
Willy Brandt wurde am 18. Dezember 1913 in Lübeck als Herbert Ernst Karl Frahm geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und wurde von seinem Großvater, einem SPD-Mitglied, erzogen. Schon früh engagierte er sich politisch in der Arbeiterbewegung und wurde Mitglied der SPD und später der linkssozialistischen SAPD. Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 musste er ins Exil nach Norwegen fliehen, wo er sich den Namen Willy Brandt gab.
Er studierte Geschichte, arbeitete als Journalist und kämpfte gegen das NS-Regime. Nach der deutschen Besetzung Norwegens 1940 floh er nach Schweden, wo er weiterhin politisch aktiv war. Er trat wieder der SPD bei und wurde Mitglied der “Kleinen Internationale”, einer Gruppe von demokratischen Sozialisten aus verschiedenen Ländern.
1947 kehrte Willy Brandt nach Deutschland zurück und wurde Presseattaché der norwegischen Militärmission in Berlin. Ein Jahr später wechselte er in die deutsche Politik und wurde wieder deutscher Staatsbürger. Er wurde Vorsitzender des SPD-Landesverbandes Berlin und 1957 Regierender Bürgermeister von Berlin. In dieser Funktion erlebte er den Bau der Berliner Mauer 1961, die er als “Schandmal des Kalten Krieges” bezeichnete. Er setzte sich für die Freiheit und die Rechte der Berliner ein und forderte eine Verständigung mit den Ostblockstaaten.
1964 wurde Willy Brandt zum Vorsitzenden der SPD gewählt. Er führte seine Partei zu einem Wahlsieg bei der Bundestagswahl 1969, bei der er mit der FDP eine Koalition bildete. Er wurde zum vierten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ernannt. Seine Regierung initiierte eine Reihe von sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und bildungspolitischen Reformen, die das Land modernisierten und demokratisierten. Er förderte die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die Gleichstellung der Frauen, die Anerkennung der Gewerkschaften, die Verbesserung des Umweltschutzes, die Erweiterung des Bildungsangebots und die Förderung der Kultur.
Die größte Leistung von Willy Brandt war jedoch seine neue Ostpolitik, die auf dem Grundsatz “Wandel durch Annäherung” beruhte. Er strebte eine Normalisierung der Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten an, um den Kalten Krieg zu überwinden und die Sicherheit in Europa zu erhöhen. Er schloss Verträge mit der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei und anderen Ländern ab, in denen er auf Gewaltanwendung verzichtete, die bestehenden Grenzen anerkannte und die kulturellen und humanitären Kontakte förderte. Er unterstützte auch die Ostverträge zwischen den beiden deutschen Staaten, die zu einer gegenseitigen Anerkennung führten. Für seine Friedenspolitik wurde er 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Willy Brandt war auch ein überzeugter Europäer, der sich für eine vertiefte Zusammenarbeit in Europa einsetzte. Er war einer der Initiatoren des Europäischen Rats, des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft. Er unterstützte die Erweiterung der EG um Großbritannien, Irland und Dänemark. Er plädierte für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine europäische Währungsunion und eine europäische Identität. Er war auch ein weltbürgerlicher Politiker, der sich für die Entwicklungsländer, die Menschenrechte, die Abrüstung und die internationale Solidarität einsetzte. Er pflegte enge Beziehungen zu vielen anderen Staatsmännern, wie dem französischen Präsidenten François Mitterrand, dem britischen Premierminister Harold Wilson, dem US-Präsidenten Jimmy Carter oder dem chilenischen Präsidenten Salvador Allende.
1974 trat Willy Brandt als Bundeskanzler zurück, nachdem bekannt wurde, dass einer seiner engsten Mitarbeiter, Günter Guillaume, ein DDR-Spion war. Er blieb jedoch Vorsitzender der SPD bis 1987 und wurde 1976 zum Präsidenten der Sozialistischen Internationale gewählt. Er setzte sich weiterhin für seine politischen Ziele ein und gründete die Nord-Süd-Kommission, die einen Bericht über die globalen Probleme der Entwicklung und der internationalen Zusammenarbeit vorlegte. Er erlebte noch den Fall der Berliner Mauer 1989 und die deutsche Wiedervereinigung 1990, die er als “Erfüllung eines Traums” bezeichnete.
Willy Brandt starb am 8. Oktober 1992 in Unkel am Rhein im Alter von 78 Jahren. Er wurde auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin beigesetzt. Sein Grabstein trägt die Inschrift “Unser Weg ist Zukunft”. Sein Leben und sein Werk sind bis heute eine Inspiration für viele Menschen, die sich für Frieden und Freiheit einsetzen. Seine Worte aus seiner Nobelpreisrede sind aktueller denn je: “Der Friede ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.”

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