Am 22. Mai 1972 starb Margaret Rutherford, einer der markantesten britischen Schauspieler des 20. Jahrhunderts. Mit ihrem unverwechselbaren Äußeren, ihrer eindrucksvollen Stimme und ihrer Fähigkeit, schrullige, liebenswerte Figuren zum Leben zu erwecken, wurde sie zu einer Ikone des britischen Kinos. Besonders bekannt wurde sie durch ihre Darstellung der Miss Marple in den Verfilmungen nach Agatha Christie. Ihre Karriere und Persönlichkeit reichten jedoch weit über diese populäre Rolle hinaus.
Margaret Taylor Rutherford wurde am 11. Mai 1892 in Balham, einem Stadtteil im Süden Londons, geboren. Ihre Kindheit war von tragischen Ereignissen geprägt. Ihr Vater litt an schweren psychischen Erkrankungen und wurde nach einem Mord in eine Anstalt eingewiesen. Auch ihre Mutter nahm sich früh das Leben. Margaret wuchs daraufhin bei einer Tante in Wimbledon auf. Die dunklen Schatten ihrer Familiengeschichte begleiteten sie ihr Leben lang, doch sprach sie kaum darüber. Es entsprach der Haltung einer Zeit, in der über persönliche Schicksale selten öffentlich gesprochen wurde.
Erst mit über 30 Jahren wandte sich Rutherford ernsthaft der Schauspielerei zu, ein ungewöhnlich später Beginn für eine Bühnenkarriere. Sie nahm Schauspielunterricht an der Old Vic Theatre School und sammelte erste Erfahrungen in klassischen Stücken von Shakespeare und Shaw. Schnell zeigte sich ihr Talent für komische Rollen und für Figuren mit exzentrischem Charakter.
In den 1930er- und 1940er-Jahren wurde sie zu einem gefragten Nebendarsteller auf der Bühne und bald auch im Film. Ihr Leinwanddebüt gab sie 1936. Sie fiel durch ihre Mischung aus Würde, Skurrilität und Witz auf, eine Kombination, die sie unverwechselbar machte.
Den großen internationalen Durchbruch erlebte Rutherford in den 1950er-Jahren mit Filmen wie The Importance of Being Earnest (1952) und Blithe Spirit (1945). Für ihre Nebenrolle in Hotel International (The V.I.P.s, 1963) erhielt sie schließlich einen Oscar. Das war ein seltener Erfolg für einen britischen Schauspieler in einer Nebenrolle.
Weltberühmt wurde sie jedoch durch ihre Verkörperung der Miss Marple in den Verfilmungen der frühen 1960er-Jahre, darunter Mord im Pfarrhaus (1961), Vier Frauen und ein Mord (1963) und Mörder ahoi! (1964). Zwar zeigte sich Agatha Christie mit dieser Interpretation nicht einverstanden, doch das Publikum liebte genau diese Version der Figur. Rutherford machte aus der literarischen Figur eine energische, manchmal burschikose alte Dame mit Regenschirm und Hut, die den Verbrechen mit trockenem Humor und gesundem Menschenverstand begegnete.
Seit 1945 war Margaret Rutherford mit dem Schauspieler Stringer Davis verheiratet, der in vielen ihrer Filme Nebenrollen übernahm. Die Ehe galt als liebevoll und harmonisch. Rutherford engagierte sich auch sozial, unter anderem in der Betreuung psychisch kranker Menschen, wohl auch aus eigener Betroffenheit heraus.
In ihren letzten Jahren litt sie unter Altersdemenz. Sie zog sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück. Am 22. Mai 1972 starb sie im Alter von 80 Jahren in Chalfont St. Peter, Buckinghamshire. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof von Gerrards Cross.
Margaret Rutherford bleibt vielen bis heute als außergewöhnliche Erscheinung in Erinnerung. Sie entsprach nicht dem gängigen Schönheitsideal ihrer Zeit, überzeugte jedoch mit Charakter, Präsenz und feinem Gespür für Nuancen. Ihr Spiel war geprägt von britischem Humor, genauer Beobachtung und großer Menschenfreundlichkeit. Sie wurde zur Verkörperung des britischen Exzentrikertums in Film und Leben.
2015 erschien eine Biografie unter dem Titel Dreadnought with Good Manners, die Einblick in ihre schwierige Familiengeschichte und den Umgang mit psychischen Belastungen gibt. Rutherford gilt heute nicht nur als großer Schauspieler, sondern auch als Symbol für Würde, Selbstbehauptung und Eigenständigkeit abseits des Rampenlichts.

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