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11. Dezember 1875 – Anschlag auf den Dampfer Mosel

Der Anschlag auf den Dampfer Mosel vom 11. Dezember 1875 gilt bis heute als eines der folgenreichsten Verbrechen des ausgehenden 19. Jahrhunderts; er markierte einen Moment, in dem sich die aufkommende Mobilität der Moderne als verwundbar erwies.

Der Anschlag auf den Dampfer Mosel vom 11. Dezember 1875 gilt bis heute als eines der folgenreichsten Verbrechen des ausgehenden 19. Jahrhunderts; er markierte einen Moment, in dem sich die aufkommende Mobilität der Moderne als verwundbar erwies.

Der norwegisch-kanadische Hochstapler Alexander Keith junior, der sich in Deutschland unter falschem Namen aufhielt, plante zu diesem Zeitpunkt eine Serie von Versicherungsbetrügereien. Sein Vorgehen beruhte darauf, Gepäckstücke mit explodierenden Sprengsätzen zu versehen, hohe Versicherungen darauf abzuschließen und die angeblich zufällige Vernichtung des Eigentums zu kassieren. Die Mosel erschien ihm geeignet, da sie zu den großen Auswandererschiffen gehörte, die regelmäßig zwischen Bremerhaven und New York verkehrten und damit verlässliche Versicherungsoptionen boten. Keith wählte eine Kiste, deklarierte sie als harmloses Reisegut und ließ sie an Bord bringen; das mit Zeitzünder versehene Paket war auf eine Explosion kurz nach dem Ablegen programmiert.

Die Detonation erfolgte jedoch bereits im Hafen. Die Ladearbeiten gerieten ins Stocken, die Kiste wurde bewegt und der empfindliche Mechanismus sprang früher an als geplant. Die Wucht der Explosion riss ein großes Loch in den Rumpf der Mosel, setzte Teile des Kais in Brand und tötete rund achtzig Menschen; Hunderte wurden verletzt. Viele Hafenarbeiter waren im Moment des Unglücks im unmittelbaren Bereich der Ladeluken beschäftigt, was die Zahl der Opfer erhöhte. Für Bremerhaven bedeutete die Katastrophe einen tiefen Einschnitt; die Stadt war an den Anblick schwerer Industrie und reger Schiffahrt gewöhnt, doch eine solche Explosion im Zentrum des Hafens stellte alles bisher Erlebte in den Schatten.

Die Ermittlungen verliefen zunächst schleppend. Sprengstoffattentate waren im Kaiserreich eine Seltenheit; die Polizei musste sowohl technische als auch organisatorische Grundlagen erst schaffen, um ein solches Verbrechen systematisch zu untersuchen. Rasch zeigte sich jedoch ein Muster. Keith war bereits in Nordamerika mit dubiosen Geschäften aufgefallen; er hatte mehrfach unter falschen Identitäten agiert und war in Bankrottverfahren verwickelt gewesen. Die Spur führte schließlich zu seinem Hotelzimmer, in dem sich Reste von Sprengmaterial und Konstruktionsskizzen fanden.

Keith selbst entzog sich der Festnahme durch Suizid, wodurch ein Gerichtsverfahren nicht mehr möglich wurde. Die Ermittler kamen dennoch zu dem Schluss, dass es sich um eine Kombination aus Betrugsabsicht und bewusster Inkaufnahme massiver Kollateralschäden gehandelt hatte. Die zeitgenössische Presse sprach von moralischer Verwahrlosung und einer neuen Dimension krimineller Energie.

Aus heutiger Sicht wird der Anschlag als frühes Beispiel für die Verwundbarkeit globaler Verkehrswege betrachtet. Die Explosion führte zu grundlegenden Änderungen in den Sicherheitsvorschriften europäischer Häfen; Gepäckkontrollen wurden präziser, Gefahrgutlisten verbindlicher, Versicherungsregeln strenger. Auch die entstehende Forensik gewann an Bedeutung, da das Verbrechen zeigte, wie wichtig technische Expertise bei der Aufklärung komplexer Anschläge ist. Die Reedereien führten neue Dokumentationspflichten ein, um die Herkunft und Art der Fracht besser nachvollziehen zu können. In Bremerhaven selbst blieb der Anschlag über Generationen Teil der lokalen Erinnerungskultur; viele Familien verloren Angehörige und bewahrten Zeitungsberichte und amtliche Schreiben als Zeugnisse eines Tages, der das Vertrauen in die Sicherheit des modernen Reisens erschütterte.

Bis heute wirkt die Katastrophe nach, da sie exemplarisch zeigt, wie eng wirtschaftliche Interessen, technische Entwicklungen und gesellschaftliche Risiken miteinander verwoben sind. Der Anschlag auf die Mosel war kein politisches Attentat, sondern das Werk eines einzelnen Betrügers; doch seine Folgen machten deutlich, dass Verbrechen dieser Art weit über das Individuum hinausreichen und ganze Gesellschaften dazu zwingen, ihre Sicherheitsstandards zu überdenken.

Bild: Gemeinfrei | Gemeinfrei

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