Kalender

31. Januar 1953 – Schwerste Nordseesturmflut

Am 31. Januar 1953 traf eine extreme Springflut die Küsten der Nordsee. Allein in den Niederlanden brachen über fast 200 Kilometer die Deiche.

Am 31. Januar 1953 traf eine extreme Springflut die Küsten der Nordsee. Allein in den Niederlanden brachen über fast 200 Kilometer die Deiche. Die Flutkatastrophe von 1953, in den Niederlanden und Flandern als „Watersnood“ oder „de Ramp“ (die Katastrophe) bekannt, gilt als die schwerste Nordseesturmflut des 20. Jahrhunderts. Sie kostete mehr als 2400 Menschen das Leben und richtete enorme Schäden an.

Die Katastrophe wurde zum Auslöser eines beispiellosen Hochwasserschutzprogramms, des Delta-Plans, der die niederländische Küste durch die Anlage von Hunderten Kilometern neuer Deiche und Sperrwerken befestigte. Auch in anderen betroffenen Ländern wie Großbritannien, Belgien und Deutschland führte die Sturmflut zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für den Küstenschutz.

Die Wetterlage am 31. Januar 1953 war außergewöhnlich. Ein schwerer Sturm aus Nordwest stieg die Nordsee in Southend / Essex auf 2,74 Meter und bei King’s Lynn in Norfolk auf 2,97 Meter. Bei Hoek van Holland wurde ein Stand von 3,85 Metern über NAP gemessen, wobei dort der normale Tidenhub bei 80 Zentimetern lag; bei Brouwershaven stieg das Wasser auf 4,25 Meter, in Vlissingen auf 4,55 Meter und in Kruiningen auf 5,25 Meter. Die Sturmflut kam zusammen mit der Springtide, einem natürlichen Phänomen, das alle 14 Tage auftritt und bei dem die Gezeiten besonders ausgeprägt sind. Die Kombination dieser Wetterereignisse wurde für viele Küstenbewohner zur Todesfalle.

Die Flut traf vor allem Südholland, Zeeland und das westliche Noord-Brabant. Zwischen vier und sechs Uhr morgens wurden die Bewohner von den Wassermassen überrascht. Auf fast 200 Kilometern brachen die Deiche. Innerhalb einer halben Stunde stand das Wasser zwei bis drei Meter hoch. Den Menschen blieb meist nur, sich in letzter Sekunde auf ihren Speicher oder aufs Dach zu retten. Dort, ohne Trinkwasser, Strom oder Heizung, warteten sie auf Hilfe. Viele warteten vergeblich.

Die Katastrophe traf auch andere Länder an der Nordsee. In Großbritannien fanden 307 Menschen den Tod, in Belgien 14 und auf See 252 beim Untergang einer Fähre und mehrerer Fischerboote. Der Sturm wütete auch über der deutschen und dänischen Nordseeküste, wo er als mittlere Sturmflut ohne Verlust von Menschenleben auftrat.

Die Rettungsaktionen waren schwierig und chaotisch. Radiosender und Telefonzentralen wurden damals um Mitternacht abgeschaltet. Schon in der Nacht hatte das Wasser zudem Telefon-, Telegrafen- und Sendemasten zerstört. Die Küstenbewohner hatten keine Möglichkeit, im Rest des Landes um Hilfe zu rufen. Erst am Sonntagmorgen sendete das Radio Nachrichten, in denen erstmals von einer „nationalen Katastrophe“ die Rede war. Alle Niederländer mit einem Motorboot waren aufgerufen, dieses zur Verfügung zu stellen. Auch aus dem Ausland kamen Hilfsangebote. Die britische Luftwaffe, die US-Armee und das Rote Kreuz beteiligten sich an den Rettungs- und Hilfsmaßnahmen. Der letzte beschädigte Deich konnte erst zehn Monate später, im November 1953, bei Ouwerkerk auf Schouwen-Duiveland geschlossen werden.

Die Sturmflut von 1953 hatte weitreichende Folgen für die betroffenen Länder. Die materiellen Schäden waren enorm. Mehr als 40.000 Häuser wurden beschädigt, 200.000 Hektar Ackerland wurden überflutet, 500 Kilometer Deich beschädigt oder zerstört. Zehntausende mussten evakuiert werden. Die Flut hinterließ auch tiefe Spuren in der Psyche der Menschen. Viele litten unter Traumata, Angstzuständen und Depressionen. Die Katastrophe wurde zum Symbol für die Verletzlichkeit der Niederlande gegenüber dem Wasser, aber auch für den Zusammenhalt und die Solidarität der Bevölkerung.

Die Sturmflut von 1953 war auch ein Weckruf für die Politik. Die Niederlande beschlossen, ein ehrgeiziges Hochwasserschutzprogramm umzusetzen, den Delta-Plan. Der Plan sah vor, die seeländische und südholländische Küste durch die Anlage von Hunderten Kilometern neuer Deiche zu befestigen und die breiten und tiefen Mündungen von Maas und Schelde mittels Sperrwerken von der See abzuriegeln. Der Bau dieser gewaltigen Schutzbauten schuf eine ganz neue Infrastruktur und verband zugleich das bis dahin wirtschaftlich schwächere Zeeland mit dem mehr industrialisierten Süd-Holland. Der Delta-Plan gilt als eines der größten Ingenieurprojekte der Welt und hat die Niederlande zu einem Vorreiter in Sachen Wasserbau gemacht.

Auch in anderen Ländern führte die Sturmflut zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für den Küstenschutz. In Großbritannien führte die Katastrophe zur Planung des Flutschutzwehrs Thames Barrier, das allerdings erst 20 Jahre später verwirklicht wurde. Auch in Belgien war die Katastrophe Anstoß für umfassende Überlegungen; das Projekt Sigma-Plan wurde aber erst ins Leben gerufen, nachdem das Land 1976 eine weitere Flutkatastrophe hatte überstehen müssen. In Deutschland wurde der Sturmflutschutz an der Nordseeküste verbessert und die Deichhöhen erhöht.

Die Sturmflut von 1953 war eine Naturkatastrophe, die die Geschichte und die Landschaft der Nordsee-Anrainerstaaten nachhaltig verändert hat. Sie hat aber auch gezeigt, wie die Menschen aus der Krise lernen und sich an die Bedrohung durch das Wasser anpassen können. Die Erfahrungen und das Wissen aus der Sturmflut von 1953 können dabei helfen, die Zukunft zu gestalten.

Bild: Gemeinfrei | Gemeinfrei

Bildquellen auf dieser Seite:

  • Hollandsturmflut-Watersnoodramp_1953-Gemeinfrei: Gemeinfrei | Gemeinfrei
  • Mann in Gorillakostüm geht durch die Stadt: Werner Niedermeier | Werner Niedermeier
  • Franz-Schubert-am-Klavier-wn-Crop: Werner Niedermeier | Werner Niedermeier

Heute ist außerdem...

Sehen Sie, was heute sonst noch los ist.

Entdecken