Konrad Lorenz, der am 7. November 1903 in Wien geboren wurde, gilt als einer der bedeutendsten Verhaltensforscher des 20. Jahrhunderts. Er erforschte die Instinkte, das Lernen und die Kommunikation von Tieren, insbesondere von Vögeln und Hunden, und prägte den Begriff der Prägung. Er erhielt 1973 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin und war einer der Hauptvertreter der evolutionären Erkenntnistheorie. Er war aber auch ein umstrittener Wissenschaftler, der sich im Nationalsozialismus als Rassenkundler betätigte und später als Umweltaktivist und Gesellschaftskritiker hervortrat.
Lorenz wuchs in einer wohlhabenden, gebildeten Familie auf, die ihm schon früh den Umgang mit Tieren nahebrachte. Er studierte zunächst Medizin in Wien und New York, wandte sich später der Zoologie zu und promovierte in beiden Fächern. Als Assistent am Anatomischen Institut in Wien veröffentlichte er seine erste bedeutende Arbeit über den Begriff der Instinkthandlung. Lorenz gilt als Mitbegründer der Ethologie, der vergleichenden Verhaltensforschung, die er selbst bis 1949 noch Tierpsychologie nannte. Er arbeitete eng mit anderen Pionieren der Disziplin zusammen, darunter Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen, mit denen er später den Nobelpreis teilte.
Lorenz war aber auch ein Anhänger des Nationalsozialismus, der sich in seinen Schriften und seinem Wirken widerspiegelte. Er wurde 1938 Professor für Vergleichende Psychologie in Königsberg und trat der NSDAP bei. Damals führte er erbbiologische Studien im besetzten Polen durch und veröffentlichte rassenkundliche Artikel, in denen er die Überlegenheit der nordischen Rasse und die Gefahr der “Verhausschweinung des Menschen” durch Zivilisation und Vermischung propagierte. Er war Mitarbeiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP und wurde 1941 zum SS-Untersturmführer ernannt.
Nach dem Krieg wurde Lorenz in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager interniert, aus dem er 1948 entlassen wurde. Danach setzte er seine Forschung in Altenberg bei Wien fort, wo er sein Elternhaus in eine Forschungsstation umwandelte. Er wurde 1950 Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen und lehrte an verschiedenen Universitäten. Dabei veröffentlichte er zahlreiche Bücher und Artikel, in denen er seine Erkenntnisse über das Verhalten von Tieren und Menschen darstellte. Er wurde zu einem international anerkannten und populären Wissenschaftler, der viele Auszeichnungen und Ehrungen erhielt.
Lorenz war zugleich ein scharfsinniger Kritiker der modernen Gesellschaft. Er engagierte sich für den Umweltschutz und die Friedensbewegung und warnte eindringlich vor den Folgen von Überbevölkerung, Naturzerstörung und der zunehmenden Entfremdung des Menschen von seinen biologischen Wurzeln. In Österreich wurde er zu einer prägenden Figur der entstehenden Grünen-Bewegung und unterstützte deren Ziele. Zugleich setzte er sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander, bekannte sich zu seiner Schuld als früherer Nationalsozialist und hob dennoch die innere Kontinuität seines Denkens hervor. Ihm blieb die Bedeutung der Biologie für das Verständnis des Menschen stets zentral.
Lorenz starb am 27. Februar 1989 in Altenberg, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand. Sein umfangreiches und vielgestaltiges Werk prägt bis heute sowohl die Verhaltensforschung als auch die Erkenntnistheorie. Zugleich war er eine widersprüchliche Persönlichkeit, die Bewunderung ebenso hervorrief wie Ablehnung. Manche verehrten ihn als „Einstein der Tierseele“, andere verurteilten ihn als „Nazi-Doktor“.
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