Am 14. Februar 1918 vollzog Russland einen historischen Schritt: Es verabschiedete sich vom Julianischen Kalender, der seit der Zeit Julius Caesars im Jahr 45 v. Chr. in Gebrauch war, und führte den Gregorianischen Kalender ein, der seit 1582 von der katholischen Kirche und den meisten westlichen Ländern verwendet wurde. Damit sprang Russland vom 31. Januar auf den 14. Februar und schloss die Lücke von 13 Tagen, die sich im Laufe der Jahrhunderte zwischen den beiden Kalendersystemen angesammelt hatte.
Der Julianische Kalender war ein Solarkalender, der auf dem tropischen Jahr basierte, also der Zeit, die die Erde für einen Umlauf um die Sonne benötigt. Er hatte 365 Tage in einem Gemeinjahr und 366 Tage in einem Schaltjahr, das alle vier Jahre eingefügt wurde. Allerdings war die Länge des tropischen Jahres nicht exakt 365,25 Tage, sondern etwas kürzer: etwa 365,24219 Tage. Das bedeutete, dass der Julianische Kalender jedes Jahr um etwa 11 Minuten zu lang war und sich somit langsam vom astronomischen Datum entfernte. Nach 128 Jahren war er um einen ganzen Tag im Rückstand.
Der Gregorianische Kalender wurde 1582 von Papst Gregor XIII. als Reform des Julianischen Kalenders eingeführt, um die Abweichung zu korrigieren und das Osterdatum wieder mit dem Frühlingsanfang in Einklang zu bringen. Der Gregorianische Kalender behielt die Schaltjahre alle vier Jahre bei, fügte aber zwei weitere Regeln hinzu: In allen durch 100 teilbaren Jahren entfiel das Schaltjahr, es sei denn, das Jahr war auch durch 400 teilbar. Damit wurde die Länge des Kalenderjahres auf etwa 365,2425 Tage reduziert, was viel näher an der Länge des tropischen Jahres lag. Um eine sofortige Anpassung zu erreichen, wurde außerdem beschlossen, dass auf den 4. Oktober 1582 sofort der 15. Oktober 1582 folgte. Damit wurden die 10 Tage, die sich seit dem Konzil von Nicäa im Jahr 325 angesammelt hatten, übersprungen.
Die Einführung des Gregorianischen Kalenders stieß jedoch auf Widerstand von einigen protestantischen und orthodoxen Ländern, die ihn als katholische Einmischung ablehnten. So blieben einige Länder, darunter Russland, noch lange beim Julianischen Kalender. Erst nach der Oktoberrevolution von 1917, die das Ende der zaristischen Herrschaft und den Beginn der kommunistischen Ära markierte, beschloss die neue bolschewistische Regierung, den Gregorianischen Kalender zu übernehmen, um sich dem internationalen Standard anzupassen. Der Wechsel wurde am 24. Januar 1918 vom Allrussischen Zentralen Exekutivkomitee beschlossen und trat am 14. Februar 1918 in Kraft. Damit wurde der 31. Januar 1918 zum letzten Tag des Julianischen Kalenders in Russland.
Der Kalenderwechsel hatte jedoch nicht nur praktische, sondern auch symbolische Bedeutung. Er signalisierte einen Bruch mit der alten Ordnung und eine Hinwendung zur Moderne. Er war auch Teil eines größeren Prozesses der Säkularisierung und Entchristianisierung, der die Rolle der orthodoxen Kirche in der russischen Gesellschaft untergrub. Der Gregorianische Kalender wurde von den Bolschewiki als ein wissenschaftlicherer und rationalerer Kalender gepriesen, der im Einklang mit der sozialistischen Ideologie stand. Er wurde auch als ein Mittel zur Förderung der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit angesehen, da er die Kommunikation und den Handel mit anderen Ländern erleichterte.
Der Kalenderwechsel war jedoch nicht für alle Russen willkommen. Einige orthodoxe Gläubige lehnten ihn ab und hielten weiterhin am Julianischen Kalender fest, vor allem für die Berechnung der kirchlichen Feiertage. Diese Tradition wird bis heute von einigen orthodoxen Kirchen fortgesetzt, die das Weihnachtsfest am 7. Januar und das Osterfest nach dem alten Stil feiern. Andere Russen empfanden den Kalenderwechsel als eine Verwirrung und eine Entwurzelung von ihrer Geschichte und Kultur. Sie mussten sich an neue Daten für Geburtstage, Jubiläen und historische Ereignisse gewöhnen. Sie verloren auch einige Feiertage, die im Julianischen Kalender existierten, wie den alten Neujahrstag am 13. Januar.
Der Kalenderwechsel war also ein bedeutendes Ereignis in der russischen Geschichte, das die politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen widerspiegelte, die das Land im 20. Jahrhundert durchlief. Er war zugleich ein Ausdruck und ein Faktor der Modernisierung, der Säkularisierung und der Revolution, die Russland prägten. Er war aber auch eine Quelle der Kontroverse, der Spaltung und der Identitätskrise, die bis heute nachwirken.

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