Am 6. August 1195 starb einer der mächtigsten und umstrittensten Fürsten des deutschen Mittelalters: Heinrich der Löwe. Er war Herzog von Sachsen und Bayern, ein enger Verwandter und Verbündeter von Kaiser Friedrich Barbarossa, ein Förderer von Kunst und Kultur, ein Eroberer und Kolonisator im Osten, aber auch ein Gegner der Kirche, ein Rebell gegen den Kaiser und ein Verbannter im Exil.
Heinrich der Löwe wurde um 1129 oder 1130 als Sohn des Welfen Heinrich des Stolzen und der sächsischen Erbtochter Gertrud geboren. Sein Vater hatte die Nachfolge seines Schwiegervaters, Kaiser Lothar III., als deutscher König angestrebt, wurde aber von den Fürsten übergangen, die den Staufer Konrad III. wählten. Heinrich der Stolze verlor daraufhin seine Herzogtümer Sachsen und Bayern und starb 1139. Sein Sohn Heinrich erbte nur die welfischen Hausgüter in Schwaben und Sachsen. Erst 1142 erhielt er von Konrad III. das Herzogtum Sachsen zurück, das er zu einer mächtigen Territorialherrschaft ausbaute. Er gründete Städte wie Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Braunschweig, förderte den Handel und die Landwirtschaft, errichtete Burgen und Klöster und unterstützte die Missionierung und Kolonisierung der slawischen Gebiete östlich der Elbe.
Heinrich der Löwe war auch ein wichtiger Akteur in der Reichspolitik. Er war ein Vetter und Freund von Friedrich Barbarossa, den er 1152 bei seiner Wahl zum deutschen König entscheidend unterstützte. Als Belohnung erhielt er 1156 auch das Herzogtum Bayern zurück, das sein Vater verloren hatte. Damit wurde er zum mächtigsten Fürsten im Reich, was ihm viele Neider und Feinde einbrachte. Er begleitete Barbarossa auf seinen Italienzügen, wo er sich durch seine Tapferkeit und seinen Ehrgeiz auszeichnete. 1168 heiratete er Mathilde von England, die Tochter von König Heinrich II., und stärkte damit seine internationale Stellung.
Ein weiterer wichtiger Aspekt im Leben Heinrichs des Löwen war die Gründung Münchens. Sie hängt eng mit den wirtschaftlichen Interessen Heinrichs des Löwen zusammen. Er wollte den Salzhandel und die Transportwege in Bayern und Schwaben unter seine Kontrolle bringen. Dazu zerstörte er unter anderem die Isarbrücke bei Föhring, die zum Besitz des Bischofs von Freising gehörte. Die Brücke war ein wichtiger Knotenpunkt auf der Salzstraße von Reichenhall nach Augsburg. Heinrich errichtete fünf Kilometer weiter südlich auf seinem Grund bei dem Ort Munichen eine neue Brücke, an der er Zoll erhob. Er verlegte auch die Münze, den Markt und das Gericht dorthin. Der Bischof von Freising protestierte beim Kaiser, doch Heinrich setzte sich durch.
München entwickelte sich schnell zu einer blühenden Stadt, die von Heinrich mit Privilegien ausgestattet wurde. Er förderte den Handel, die Kirchen und die Kultur. Unter anderem ließ er die Frauenkirche, das Alte Rathaus und die Residenz erbauen. München wurde zum Zentrum seines Herzogtums Bayern und zum Schauplatz seiner Machtkämpfe mit dem Kaiser und anderen Fürsten.
Doch Heinrich der Löwe geriet auch in Konflikt mit Barbarossa, als er sich weigerte, ihm 1176 im Kampf gegen die lombardischen Städte beizustehen. Der Kaiser sah darin einen Akt des Verrats und stellte ihn unter die Reichsacht. Mehrere Fürsten erhoben sich gegen Heinrich den Löwen, der sich zunächst tapfer verteidigte, aber schließlich unterlag. Er musste 1180 auf seine Herzogtümer verzichten und ins Exil nach England gehen. Erst 1189 durfte er nach Deutschland zurückkehren, wo er sich in Braunschweig niederließ. Er starb am 6. August 1195 im Alter von etwa 66 Jahren.
Heinrich der Löwe war eine schillernde Gestalt, die gleichermaßen Bewunderung und Ablehnung auf sich zog. Als Förderer von Kunst und Kultur hinterließ er bedeutende Spuren – das von ihm gestiftete Evangeliar für den Dom zu Braunschweig zeugt bis heute davon. Zugleich war er ein politischer Visionär, der die Ausdehnung nach Osten vorantrieb und damit wesentliche Voraussetzungen für die Entstehung der Hanse schuf. Doch Heinrich war auch ein machtbewusster Stratege, der seine Ziele kompromisslos verfolgte und dabei selbst vor Konflikten mit der Kirche nicht zurückschreckte. In seiner Beziehung zum Kaiser war er zugleich Verbündeter und Widersacher: Er trug maßgeblich zur Spaltung zwischen Staufern und Welfen bei und stürzte das Reich in eine tiefe Krise.
Heinrich der Löwe ist bis heute eine umstrittene Figur in der deutschen Geschichte. Er wird von manchen als Held verehrt, von anderen als Schurke verachtet. Sein Leben ist voller Spannung und Dramatik, wie es nur wenige im Mittelalter hatten.

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