Am 31. August 2015 sprach der damalige deutsche Bundeskanzler Angela Merkel jene drei Worte aus, die die deutsche Politik und Gesellschaft tiefgreifend beeinflussten: „Wir schaffen das.“ Es war eine Zeit, in der Deutschland und Europa vor einer der größten humanitären Herausforderungen der Nachkriegszeit standen. Die sogenannte „Flüchtlingskrise“ hatte ihren Höhepunkt erreicht, und hunderttausende Menschen, die vor Krieg, Terror und Elend flohen, suchten Zuflucht in Europa. Merkel, damals Bundeskanzlerin, reagierte auf diese beispiellose Situation mit einer Haltung, die auf Offenheit setzte.
Im Sommer 2015 verschärfte sich die Lage in Syrien und anderen Krisengebieten weiter, und die Fluchtbewegungen nach Europa nahmen rapide zu. Die Bilder von überfüllten Flüchtlingsbooten im Mittelmeer und verzweifelten Menschen an den europäischen Grenzen gingen um die Welt. In Deutschland kamen täglich Tausende von Flüchtlingen an, die in Notunterkünften und Übergangslagern untergebracht werden mussten. Die europäischen Staaten waren uneinig, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Inmitten dieser Krise, als die Herausforderungen immer größer wurden, verkündete Merkel auf einer Pressekonferenz in Berlin ihren berühmten Satz.
Merkels Aussage löste eine hitzige Debatte aus, die bis heute nachhallt. Während manche den Satz als Ausdruck von Menschlichkeit und Führungsstärke lobten, sahen andere darin eine naive und gefährliche Fehleinschätzung der Lage. Kritiker warfen Merkel vor, die Situation zu unterschätzen und die Kontrolle über die deutschen Grenzen aufgegeben zu haben. Die Sorgen vor einer Überforderung des Sozialsystems und einer Überforderung der Integrationskapazitäten wuchsen. In den folgenden Jahren führte diese Debatte zu einer politischen Polarisierung, die zum Beispiel den Aufstieg der AfD begünstigte, ja sogar forcierte.
Die Herausforderungen der Integration waren in der Tat enorm. Viele Flüchtlinge brachten traumatische Erlebnisse mit, sprachen kein Deutsch und mussten in eine ihnen fremde Gesellschaft integriert werden. Es gab Erfolge, aber auch Rückschläge. Die Diskussionen über die Kapazitäten des Bildungs- und Sozialsystems, die Sicherheit und die kulturelle Integration wurden zum festen Bestandteil des politischen Diskurses.
Angela Merkel selbst hat sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt 2021 weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Ihre Entscheidung, die Grenzen nicht zu schließen, wird jedoch weiterhin kontrovers diskutiert. Für einige bleibt sie eine mutige Führungsfigur, die in einer Krise Menschlichkeit vor Bürokratie stellte. Für andere bleibt „Wir schaffen das“ ein Symbol für eine gescheiterte Integrationspolitik.
Trotz aller Kontroversen bleibt eines unbestritten: Merkels Satz hat Deutschland und Europa nachhaltig geprägt. Er hat Fragen nach Identität, Solidarität und Verantwortung aufgeworfen, die auch zehn Jahre später nichts an Aktualität verloren haben. Die Geschichte wird zeigen, ob Deutschland tatsächlich „das“ geschafft hat – doch die Nachwirkungen dieses denkwürdigen Ausspruchs sind unübersehbar.
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