Am 30. Juli 1898 starb Otto von Bismarck, der erste Reichskanzler des Deutschen Reiches und einer der bedeutendsten Politiker der deutschen Geschichte. Sein Leben und Wirken war geprägt von großen Erfolgen und tiefen Krisen, von Bewunderung und Kritik, von Macht und Ohnmacht.
Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen in der Altmark geboren. Er entstammte einer altpreußischen Adelsfamilie, die über große Ländereien verfügte. Nach einem abgebrochenen Jura-Studium bewirtschaftete er das Landgut seiner Familie und wurde Mitglied des Preußischen Landtages. Dort machte er sich als konservativer und monarchistischer Abgeordneter einen Namen. Er war ein Gegner der Revolution von 1848/49 und ein Verfechter der preußischen Vorherrschaft in Deutschland. Von 1851 bis 1862 war er Diplomat für den Bundestag des Deutschen Bundes sowie in Russland und Frankreich.
Im September 1862 wurde er von König Wilhelm I. zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt. Er führte einen harten Kampf gegen die liberale Opposition im Parlament, die er mit dem berühmten Ausspruch “Eisen und Blut” herausforderte. Er verfolgte eine aggressive Außenpolitik, die darauf abzielte, das Deutsche Reich als führende europäische Macht zu etablieren. Er löste die Deutsche Frage im kleindeutschen Sinne unter Ausschluss Österreichs, indem er nacheinander drei Kriege führte: den Deutsch-Dänischen Krieg (1864), den Deutschen Krieg (1866) und den Deutsch-Französischen Krieg (1870/71). Im letzten dieser Kriege wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich ausgerufen, mit Wilhelm I. als Kaiser und Bismarck als Reichskanzler.
Bismarck gilt als Vollender der deutschen Einigung und als Begründer des Sozialstaates der Moderne. Er schuf eine Verfassung, die dem Kaiser weitreichende Vollmachten gab, aber auch eine gewisse parlamentarische Mitwirkung zuließ. Er setzte zahlreiche innenpolitische Reformen durch, wie die Einführung der Zivilehe, die Abschaffung der Todesstrafe, die Gewährleistung der Pressefreiheit und die Schaffung des Sozialversicherungssystems, führte aber auch einen harten Kulturkampf gegen die katholische Kirche und ein repressives Sozialistengesetz gegen die Arbeiterbewegung.
Außenpolitisch versuchte Bismarck, das Deutsche Reich in einem komplexen System von Bündnissen zu sichern, das einen Ausgleich der europäischen Mächte anstrebte. Er wandte sich lange gegen eine deutsche Kolonialpolitik, musste aber schließlich dem Druck der öffentlichen Meinung nachgeben und einige Gebiete in Afrika und Asien erwerben.
Im März 1890 wurde Bismarck von Kaiser Wilhelm II., dem Enkel Wilhelms I., entlassen. Der junge Kaiser wollte eine neue Ära einleiten, die weniger auf Bismarcks Realpolitik als auf seinem persönlichen Prestige beruhte. Bismarck zog sich auf sein Gut Friedrichsruh zurück, wo er seine Memoiren verfasste und seine Nachfolger kritisierte. Er starb am 30. Juli 1898 im Alter von 83 Jahren.
Bismarcks Tod löste eine große Trauerbewegung aus, die sich in zahlreichen Denkmälern, Gedenkfeiern und Verehrungsritualen manifestierte. Er wurde zum nationalen Symbol erhoben, das je nach politischer Ausrichtung unterschiedlich interpretiert wurde: Die Konservativen sahen in ihm den Hüter der monarchischen Ordnung, die Liberalen den Schöpfer des Nationalstaats, die Sozialdemokraten den Gegner ihrer Partei, die Nationalsozialisten den Vorläufer ihrer Großmachtpolitik.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Bismarck eine umstrittene Figur. Er wurde verantwortlich gemacht für die staatliche Verfolgung von Sozialisten, für eine unterentwickelte parlamentarische Kultur im Kaiserreich, für einen übersteigerten Nationalismus und Militarismus, der zum Ersten Weltkrieg führte. Er wurde aber auch gewürdigt für seine außenpolitische Klugheit, seine innenpolitischen Reformen, seine soziale Fürsorge, seine kulturelle Toleranz.
Heute ist an die Stelle leidenschaftlich umkämpfter kollektiver Erinnerung eine konsequente Historisierung getreten. Bismarck wird nicht mehr als Held oder Schurke, sondern als Mensch und Politiker seiner Zeit gesehen, der sowohl positive als auch negative Seiten hatte. Sein Leben und Wirken bietet einen spannenden Einblick in die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts, die von großen Umbrüchen und Herausforderungen geprägt war. Bismarck war ein Gestalter dieser Geschichte, aber auch ein Produkt seiner Zeit.

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